Wohnen als Grundbedürfnis des Menschen gehört zur kommunalen Daseinsfürsorge
Von Gisela Ohnesorge
„Wohnst du noch oder lebst du schon“ - heißt der Werbespruch des bekannten schwedischen Möbelhauses. Fast jeder kennt diesen Werbespruch und wenn die Aussage stimmt, dass der Ikea-Katalog nach Bibel und Koran die Nr. 3 der weltweit auflagenstärksten Printpublikationen ist, verwundert das nicht. Was der Werbespruch erreichen will, ist klar.
Es sollen neue Möbel gekauft werden, die dazu führen, dass man nicht mehr nur einfach wohnt, sondern endlich lebt. Heißt das, dass ich erst mit einem entsprechenden Ambiente tatsächlich lebe? Sagt die Art, wie ich wohne, etwas über mich und meinen Charakter aus? Selbstverständlich kann ich auch ohne viel Geld meine Wohnumgebung schön gestalten, sie sauber und in Ordnung halten. Damit wird ein Teil meines Charakters deutlich. Aber so einfach stellt sich das dann doch nicht dar. Je beengter die Wohnverhältnisse sind, je weniger Geld ich zur Verfügung habe, umso schwieriger wird es, die Wohnung so zu gestalten, wie ich es vielleicht gerne hätte. Das heißt aber, dass die Gesellschaft Verantwortung trägt dafür, dass jeder Mensch angemessenen und bezahlbaren Wohnraum erhält, also- um auf den Werbespruch zurückzukommen- in seiner Wohnung nicht nur wohnen, sondern auch gut leben kann.
Gerade in den Großstädten Deutschlands ist Wohnraum knapp und nicht besonders preiswert. In Braunschweig ist die Situation noch nicht ganz so angespannt, aber auch hier fehlen bezahlbare Wohnungen. Die von der Bundesregierung beschlossene Mietpreisbremse ist keine echte Hilfe für uns hier in Braunschweig. Gilt sie doch nur für den Altbestand und zudem in Regionen, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist. Damit wird aber auch klar, dass die kommunale Seite Verantwortung trägt. Der soziale Wohnungsbau ist lange Zeit sträflich vernachlässigt worden, nun müssen wir aufpassen, dass nicht immer mehr Bewohner aus Wohnungen vertrieben werden, indem man Sanierungen durchführt, die am Ende nicht mehr bezahlbar sind für die bisherigen Bewohner. Im Westlichen Ringgebiet gibt es durch das Programm der Sozialen Stadt, das bis 2017 läuft, viele positive Veränderungen im Wohnungsbereich. Aber auch hier wird bereits deutlich, dass Neubauten häufig als Eigentumswohnungen oder Eigenheime errichtet werden, während neuer günstiger Mietraum kaum entsteht. Damit wird klar, dass Wohnraum nicht allein der Privatwirtschaft überlassen werden darf, sondern zur Daseinsfürsorge zählt, somit also die Kommune verantwortlich ist.
Seit der Industrialisierung und der Entstehung der Kleinfamilie ist Wohnen immer gedacht als eine Art des Zusammenlebens einer solchen Kleinfamilie - im Idealfall Vater, Mutter und zwei Kinder. Diesen klassischen Fall gibt es aber schon lange nicht mehr so häufig. Viele Alleinerziehende, aber auch Singles aller Altersstufen, leben in den Häusern und Wohnungen. Häufig auf sich allein gestellt. Das legt auch nahe, über andere Formen des Wohnens nachzudenken und entsprechende Angebote vorzuhalten. Die Stadt Braunschweig macht hier die ersten zögerlichen Schritte: So wird beispielsweise in der Blumenstraße ein Grundstück für gemeinsames Wohnen angeboten. Aber auch die großen Wohnungsbaugesellschaften müssten sich auf diese Situation einstellen und entsprechende Angebote zur Miete anbieten. Hier ist noch viel Kreativität gefragt, wie man mit neuen Konzepten anderen Wohnformen der modernen Gesellschaft Rechnung tragen kann.
Für mich persönlich ist die Wohnung/ das Haus ein wichtiger Ort, an dem ich mich wohlfühlen und entspannen kann. Dabei ist natürlich auch das Wohnumfeld von Bedeutung. Ich finde, dass das Westliche Ringgebiet sich hier gut entwickelt. Dennoch bleibt noch viel zu tun, damit alle Einwohnerinnen und Einwohner in Braunschweig und im Westlichen Ringgebiet ein Zuhause finden, das ihnen auch wirklich ein solches ist, in dem sie wohnen und gut leben können.
[ Gisela Ohnesorge ]