Von Ulrike Adam
Bei Familienfeiern müssen wir oft zusammenrücken, weil wir – glücklicherweise – eine große Familie haben, die sich inzwischen über drei Generationen erstreckt. Wir – das sind im Kern mein Bruder, meine Schwester und ich. Unsere Mutter gehört dazu und die „Klein- Familien“, also unsere Partnerinnen/ Partner und unsere Kinder.
1972
Insgesamt sind wir zwanzig Leute – wenn alle mal da sind. Dann wird jede Menge gelacht und geredet, das eine oder andere Glas Wein getrunken und Musik gemacht, denn Musik machen gehört bei uns zum Leben und Feiern dazu. Das machen meine Geschwister und ich jetzt seit unserer frühesten Jugend auf Bühnen, Wiesen und um Küchentische herum, und wir haben nicht vor, damit aufzuhören, bis uns die Gitarre oder Mandoline oder das Textblatt buchstäblich aus den Händen fallen.
2012
Inzwischen sind wir Geschwister alle „so um die 50“. Für die Texte brauchen wir inzwischen Lesebrillen und bei Verstärkern und Gitarrenkoffern dürfen die großen Töchter und Söhne ruhig mal mit anfassen. Wir haben schließlich „Rücken“. Also wie soll das bloß werden, wenn wir noch älter sind? Wenn man dann nicht mehr so richtig kann? Wenn der Partner oder die Partnerin einen rund um die Uhr brauchen? Oder wir sie? Wenn man vielleicht eines Tages ganz allein zurückbleibt, nicht mehr mobil ist und auf den Besuch der Kinder und Enkelkinder wartet? Wenn wir auf fremde Hilfe angewiesen sind? Können wir dann noch unsere Träume leben? Laut und fröhlich singen bei einem Glas Wein und einer ganz und gar ungesunden Zigarette? Können wir dann noch selber entscheiden, wie wir leben wollen, wie gesund oder ungesund? Wie vernünftig oder unvernünftig? Wie laut oder wie leise? Wie gesellig oder wie zurückgezogen? Und wer hilft uns, ganz am Lebensende in Würde zu gehen?
Aus diesen Gedanken heraus entstand ein Plan:
Wenn unsere Kinder aus dem Haus sind und unser Berufsleben ausklingt, wollen wir noch einmal zusammenrücken. Wir wünschen uns ein gemeinschaftliches Wohnen mit einzelnen Wohnungen, so dass jedes Paar und jeder/ jede Einzelne für sich wohnen und sich zurückziehen kann, aber auch mit Gemeinschaftsräumen. Auf jeden Fall sollen eine gemeinsame Wohnküche, ein Musikraum und ein gemeinsames Gästezimmer vorhanden sein.
Ziel ist es, die Belastungen, die das Altern notgedrungen mit sich bringt, auf möglichst viele Schultern zu verteilen, aber auch die Fähigkeiten, die einem bleiben, so lange wie möglich einbringen und nutzen zu können. Wir wollen der Isolation entkommen, die in unserer Gesellschaft leider so oft zum Altwerden dazugehört, und wir möchten unseren Kindern gut gelaunt zurufen können: Geht eurer Wege, wir kommen schon klar! Das Wichtigste dabei ist aber: Selbstbestimmt zu leben – am liebsten bis zum letzten Atemzug!
[ Ulrike Adam ]