Veränderungen
Die Rolle der Frau hat sich in den letzten Jahren sehr stark gewandelt. Der Feminismus, als der Wunsch einer Gleichberechtigung von Frau und Mann, hat Aufwind bekommen. So wurde der sogenannte Frauentag in Berlin dieses Jahr erstmalig zum Feiertag auserkoren.
Ob frau nun für ihr Geschlecht gefeiert werden möchte, bleibt dahingestellt. Die Frauenrechtlerin und Bestsellerautorin Waris Dirie erklärte sogar, dass sie sich von diesem Tag beleidigt fühle.
Viel mehr allerdings als um diesen Aspekt geht es um die Symbolik dieses Feiertages als den Wunsch, die Welt gerechter zu gestalten. Frauen und Männer sollen gleiche Rechte und Chancen erfahren.
Das ist grundsätzlich gut.
Der Trend zur möglichst exakt gleichen Aufteilung der Aufgabenbereiche in Familien wird immer stärker. Manchmal wird der Wunsch sogar so stark, dass die Frau es als ungerecht empfindet, dass der Mann die Schwangerschaft nicht so wie sie erleben kann und das Kind mit der Flasche gefüttert wird, statt mit Muttermilch aus der Brust, damit die Aufteilung gerechter verteilt werden kann. Das sind extreme Beispiele, aber sie zeigen auch, dass die Biologie von Frau und Mann eben Unterschiede aufweisen.
Auch der politische „Anreiz“, seine Kinder möglichst schnell, momentan üblicherweise nach einem Jahr, in eine Fremdbetreuung zu geben, damit beide Elternteile wieder gleichberechtigt arbeiten können, kann Fluch und Segen zugleich bedeuten.
Das Leben unserer Jüngsten ist dadurch häufig schon voller Verantwortung und stark getaktet: Aufstehen, anziehen, frühstücken und los zur Tagesmutter, zum Kindergarten, in die Schule oder zur Arbeit. Dort warten viele Anforderungen, die erfüllt werden wollen. Das Leben in den oft beengten gemeinschaftlichen Räumen kann sehr laut sein und unter Umständen müssen die individuellen Bedürfnisse zurückgestellt werden. Je nach Alter und Charakter können das die meisten Menschen für eine Weile gut kompensieren. Wenn die eigenen Begehrlichkeiten jedoch über einen längeren Zeitraum zu stark in den Hintergrund rücken, kommt der Körper und damit die Seele in ein Ungleichgewicht. Und genau hier kann die Natur eine große Hilfe sein.
Was die Natur uns bietet und warum sie als Ausgleich zum Leben in geschlossenen Räumen so wichtig für uns ist, erschließt sich, wenn man betrachtet, was in ihr entstehen kann. In der Natur gibt es keine vorgefertigten Spiel- oder Werkzeuge, keine glatten Oberflächen ohne Verletzungsgefahr, aber auch ohne Reiz, keine eintönigen Untergründe und keine Begrenzungen, die den Schall ständig zurück werfen und damit die Lautstärke steigern (abgesehen natürlich von Höhlen und Schluchten). Das Auge kann sich sowohl auf interessante Details fokussieren als auch in die Ferne schweifen, was besonders bei Büroarbeitsplätzen häufig zu kurz kommt. Durch die Vielfältigkeit und die Freiheit der natürlichen und meist leisen Geräusche im Grünen kann das Gehirn sich regenerieren. Der Körper hat Platz und Variationen sich zu bewegen. Rennen, klettern, schleichen, sitzen, liegen, gehen, balancieren - all das ist möglich. Durch die verschiedenen Materialien wird die Fantasie angeregt. Es können neue Spiele entstehen. So kann ein Stock zum Löffel, zum Schwert, zum Zaumzeug, zum Dach oder zur Brücke werden.
Es gibt kaum eine andere Spielform, die für die Entwicklung des kindlichen Gehirns so wertvoll ist, wie das freie Spiel in der Natur. Durch den Stressabbau und die Anregung der Fantasie kann eine Resilienz entstehen, eine physische Widerstandskraft, die Fähigkeit schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen.
Die Natur kann uns wieder erden, damit Kinder und Eltern neue Kraft und Gelassenheit bekommen, ihren Alltag zu meistern.
[ Dr. Nora Roesky ]