Rede von Ilse Bartels-Langweige
Ich selbst bin jetzt als Oma mit dem Thema Mutter beschäftigt. Und ich beneide sie nicht, die jungen Frauen.
Ja, wir haben etwas erreicht – es gibt mehr Kinderbetreuung – viele Frauen arbeiten nach einem Jahr wieder.
Aber ist das echte Wahlfreiheit, die da gelebt wird?!
Oder ist die Berufstätigkeit von Frauen eine kaum die Existenz sichernde Notwendigkeit?!
Ist dieser Stress der Doppelbelastung erstrebenswert?! Sind die Männer genug einbezogen in die Familienarbeit?!
Nein – es gibt noch viel zu tun.
Nach der Geburt eines Kindes kommt es meist zur Rückkehr in traditionelle Rollen; Mütter steigen aus dem Erwerbsprozess aus oder verringern die Stundenzahl, und Väter bleiben bei ihrer Stundenzahl oder erhöhen sogar ihr berufl iches Engagement.
Jakob Hein – ehemaliger Väterbeauftragter der Charité – drückt es so aus: „In Deutschland gehen Männer und Frauen als modernes Paar in den Kreissaal hinein und kommen als 50er-Jahre- Paar wieder heraus.“
In welche Richtung kann unser Tun gehen?! Öffentliche Kinderbetreuung rund um die Uhr?! Ist das die Lösung?!
Der moderne patriarchalische Mutterbegriff nährt die Vorstellung von der Karrierefrau, die im Berufsleben erfolgreich ist und nebenbei auch noch Kinder hat.
Es ist das Bild der Superfrau – oder der Rabenmutter – je nach Wertesystem – die alles macht und alles kann, die überall „ihren Mann steht“, doch ganz weiblich auch noch die nächste Generation gebiert und erzieht.
In beträchtlicher Untertreibung nennt man das die Doppelbelastung der Frau. Frauen werden als „industrielle Reservearmee“ benutzt, als die ständig verschiebbare Masse. Sie sind somit Objekte der Politik.
Eine Gedankenlinie, die meine mentalen Scheuklappen geöffnet hat, ist die Idee des Matriarchats.
Alle Bemühungen der heutigen Politik bauen auf patriarchalischen und kapitalistischen Strukturen ihre neuen Konstrukte.
Kann es da tatsächliche Lösungen geben, wenn die Angst vor der weiblichen Kraft, Leben zu schaffen, so groß ist?!
Wenn es immer wieder darum geht, wirtschaftlichen Interessen zu folgen?!
Wenn die Macht der Wirtschaft immer mehr zur Zerstörung der Natur und Mutter Erde beiträgt?!
Ein Zitat von Julie Zeh aus dem Buch ´“Unter Leuten“ gefällt mir. Sie sagt: „Das kapitalistische System pfl anzte einen Angstkern in die Seelen seiner Kinder, die sich im Laufe ihres Lebens mit immer neuen Schichten aus Leistungsbereitschaft panzerten. Heraus kamen Arbeitszombies …“
Geht es darum, wenn Frauen nach einem Jahr wieder arbeiten gehen?!
Ilse Bartels-Langweige Sozialpädagogische Leiterin des Mütterzentrums Braunschweig Wir leisten uns hier im Haus auch immer wieder die Frage: Um was geht es im Leben?!
Wir stehen für eine Welt, in der Versöhnung und bedingungslose Liebe Wachstum selbstverständlich machen – sowohl materiell als auch menschlich.
Was wünsche ich mir also für meine Enkeltochter, wenn sie Kinder bekommt?
Sicherlich nicht die Stresssymptome meiner Tochter, die mit der Doppelbelastung zu kämpfen hat.
Aber auch nicht die Moral und die schlechten Bedingungen, die mir vor 35 Jahren begegneten, als ich meine Kinder von anderen liebevollen Menschen betreuen ließ.
Alles Leben kommt aus den Frauen. Die Gebärmacht von Frauen ist eine Art Monopol. In einer kapitalistischen Gesellschaft führt eine Monopolstellung in der Logik des Systems normalerweise zu hoher geldlicher Anerkennung. Hiervon ist aber bei den Müttern noch nichts angekommen.
Da stimmt doch was nicht.
Wo würden wir landen, wenn Frauen nicht unentwegt kostenlos Pflegearbeiten für Kinder, Kranke und Alte übernehmen würden?!
Man stelle sich nur mal einen Arbeitsstreik weltweit von Müttern vor! Eine konstruktivere Lösung wäre, Müttern so viele Stimmen bei Wahlen zu geben, wie sie Kinder und Alte versorgen.
Was hat es mit dem Matriarchat auf sich?
Hier leben die Kinder ihr Leben lang in der Familie ihrer Mutter. Der Vater gehört einem anderen Mutterklan an. Er verbringt nur die Nacht bei der Frau, verlässt ihr Haus am Morgen und kehrt in seinen Mutterklan zurück. Die Kinder wachsen unbelastet von erotischen Diskontinuitäten geborgen in stabilen Verhältnissen auf. Sichere Bezugspersonen sind die Geschwister der Mutter.
Aus dem Buch „Die Ordnung der Mutter – Wege aus dem Patriarchat“ von Uschi Madeisky (Dokumentation des Internationalen MutterGipfels 2008) hab ich den Begriff der „störungsanfälligen Liebesbeziehungen“. In diesen wachsen die Kinder heute auf.
Matriarchalische Strukturen verhindern also Scheidungskinder. Die Brüder der Mutter sind die verlässlichen männlichen Bezugspersonen für die Kinder.
Und es gibt keine isolierten Hausfrauen, keine verarmten Alleinerziehenden, keine Rabenmütter, keine Kinderarmut, keine verarmten einsamen Alten, keine Waisenkinder und keine verwahrlosten Jugendlichen.
Im Matriarchat geht es nicht um Machtinteressen, sondern um primäre Lebensinteressen.
Was können wir von diesen matriarchalischen Strukturen auf unsere heutige Situation übertragen, um soziale und kulturelle Muster kreativ zu verändern?!
Es gilt, den Stolz, Frau zu sein, und den Stolz, Mutter zu sein, zu kräftigen - mit allem was dazu gehört an weiblichen Ressourcen wie Wärme, Geborgenheit, Liebe, Schutz, Vertrauen, Fürsorge usw.
Und wir Mütter leisten unseren Beitrag auch weiterhin unentgeltlich, weil es zur mütterlichen Ökonomie gehört, Energie und Liebe aus der Fülle heraus zu schenken.
Dies widerspricht dem auf Tausch basierenden Wirtschaftskonzept. Jubiläum 14 Fortsetzung Rede Ilse Bartels-Langweige
Gleichzeitig ist der Markt abhängig von den unzähligen Geschenken; er ist ein parasitäres System, das auf den Geschenken von Frauen, Lohnarbeiterinnen und Mutter Erde beruht.
Schenken ist auf eine andere Person hin orientiert, während Tausch und Verkauf egoorientiert sind.
Tausch schafft Beziehungen mit Wettbewerbscharakter und führt zu feindlichen Handlungen – bis hin zu Kriegen. In Kombination mit dem Patriarchat belohnt der Markt Herrschaft und schätzt die fürsorgliche Arbeit gering.
Da machen wir nicht länger mit!
Wir setzen uns ein für eine selbstbewusste Gestaltung der Mutterrolle und sehen Mütter als eine gesellschaftliche Größe.
Der Frau als Schenkerin und Erhalterin des Lebens bringen wir die höchste Achtung entgegen.
Die Stärke liegt in der Gemeinschaft.
Jede und jeder hat etwas zu geben.
Es gilt, dies zu nutzen.
Wir fordern mütterlich nährendes Verhalten von Frauen und Männern als Norm in unserer Gesellschaft.
Mit dem Mütterzentrum haben wir dafür einen Ort geschaffen!
[ Ilse Bartels-Langweige ]