Von Wilma Calabrese
in einem kleinen Dorf mit einem Bach, umgeben von Wiesen, Wäldern und Feldern bin ich in einer Großfamilie (Oma, Opa, Eltern und drei jüngeren Geschwistern) aufgewachsen.
Tägliche Morgen-, Abend- und Tischgebete gehörten dazu.
Das Besondere an meinem Dorf waren die Bewohner, jeder kannte jeden, sie waren herzlich, gefühlvoll, humorvoll. Nicht ohne Kritik, immer bereit zum Lachen, Scherzen und Erzählen.
Der Treffpunkt meiner Familie war die Wohnküche.
Hier wurde gegessen, gekocht, Hausaufgaben gemacht und „Familienrat“ abgehalten.
Am Sonntag besprachen wir die Ereignisse der Woche, die tägliche Arbeit im Haus und Hof, die Arbeit meines Vaters, Sorgen und Nöte, Bedenken und Zukunft. Es wurden die Vorschläge und Richtlinien für die folgende Woche besprochen.
In Erinnerung habe ich einen großen Garten, in dem es alles gab: Gemüse, Salat, Obstbäume, Erdbeeren und viele Blumen. Auf den Feldern wuchsen Getreide und Kartoffeln.
Im Sommer gingen wir Kinder nach der Schule zum Schwimmen in den Bach, im Winter rodelten wir bis zum späten Abend auf den verschneiten Straßen oder trafen uns zum Skifahren an den Hängen der Wiesen.
Eine besondere Zeit möchte ich hervorheben: Advent und Weihnachten. Im November wurden große Mengen Plätzchen und Stollen gebacken, in Blechkistenverpackt und in einem besonderen Raum gelagert.
Am ersten Advent wurde genascht: köstlich, schokoladig, nussig, vanillig, einfach süß.
Am 23. Dezember wurde der Tannenbaum im Wohnzimmer aufgestellt, von meinem Vater geschmückt und die „gute Stube“ abgeschlossen.
Am Heiligabend besuchte ich mit meiner Familie und den Bewohnern des Dorfes den Gottesdienst.
Die geschmückte Kirche, die vielen Leute und die vom Pfarrer gefühlvoll vorgetragene Weihnachtsgeschichte beeindruckten und faszinierten mich.
Anschließend gab es zu Hause ein schlichtes Abendessen: Würstchen und Kartoffelsalat.
Die Bescherung: Im Wohnzimmer strahlten und leuchteten die Kerzen am Tannenbaum mit den Gesichtern meiner Geschwister und mir um die Wette. Geschenke wurden verteilt, ausgepackt und bestaunt. Nützliches wie Stiefel, Schuhe, Strümpfe, Schals, Handschuhe und Bücher wurden schnell auf die Seite gelegt. Spielsachen (Puppen, kleine Autos, Legosteine) bestaunten wir, Orangen und Mandarinen wurden geschält und gegessen.
Die Weihnachtsgeschichte wurde mehrmals vorgelesen, Lieder gesungen, meine Geschwister und ich trugen die mühsam erlernten Gedichte vor. Wir umarmten uns, erhielten und gaben gute Wünsche für die Zukunft und die Zusicherung, dass wir immer füreinander da seien.
Irgendwann traf ich die Entscheidung, meine Familie und mein Dorf zu verlassen, eine Ausbildung in der Großstadt sollte es sein.
Im Rückblick: Ich habe in der Großstadt Gutes und Schlechtes gefunden, manches was mir besser gefiel wie in meinem kleinen Heimatdorf und anderes, was ich entschieden ablehnte als oberflächlich und ungerecht.
Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass es wohl immer in meinem Leben so sein wird, ich gehöre zu beidem, dem Dorf und der Großstadt.
Es gibt vieles, was mich geprägt hat: Die Liebe meiner Familie, der Zusammenhalt der Bewohner meines Dorfes, die gegenseitige Hilfe, das gemeinsame Feiern der Feste, das gegenseitige Trösten im Trauerfall.
Das Wichtigste: Respekt und Wertschätzung meinen Mitmenschen gegenüber.
[ Wilma Calabrese ]