Ein Modell für selbstbestimmtes Wohnen und Leben in gemeinschaftlichen Wohnprojekten!
Von Janine Lendrat
In vielen Lebensbereichen lassen sich Projekte und Initiativen finden, die ein selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Leben und Miteinander anstreben.
Hiermit wollen sie einen Gegenentwurf zu den oft ausschließlich auf Leistung ausgerichteten Lebensbedingungen und dem damit einhergehenden Individualismus und Einzelkämpfertum schaffen und darstellen.
So sind auch in dem alltäglichen Lebensbereich des Wohnens immer mehr Menschen auf der Suche nach Alternativen und insbesondere nach Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens.
Im Miteinander und in Diskussionen werden dabei vielfältigste Ansätze und Modelle entwickelt, die unterschiedliche soziale, politische und kulturelle Aspekte betonen und verschiedene Schwerpunkte setzen. Ebenso vielseitig sind die Ansätze hinsichtlich der finanziellen, rechtlichen und organisatorischen Umsetzung eines Wohnprojektes: vom klassischen Mietmodell über kollektives Gemeinschaftseigentum bis hin zum Privateigentum ist alles zu finden.
Wir - das Wohnprojekt infrarot e.V. - wollen in Braunschweig ein kollektiv selbstverwaltetes Mietshaus bauen. Statt unerschwinglicher Eigentumswohnungen wollen wir dauerhaft und damit auch für nachfolgende Generationen günstigen Wohnraum in Selbstverwaltung der mietenden Bewohnerinnen und Bewohner schaffen, bei dem niemand mit „Wohnen“ Geld verdient.
In unserem Haus möchten wir mit ca. 20-25 Personen im Alter von 0 bis zur Zeit 45 Jahren zusammen leben. Unsere Gruppe setzt sich aus Alleinstehenden, Paaren und Familien, darunter auch Menschen mit Behinderungen, zusammen, die sich in unterschiedlichsten Lebenssituationen befinden. Uns alle verbindet der Wunsch nach einem selbstbestimmten, gemeinschaftlichen und solidarischen Leben. Dementsprechend sind die eigenverantwortliche Gestaltung und Verwaltung unseres Wohnraums, ein gleichberechtigtes Miteinander sowie die gegenseitige Unterstützung im Alltag zentrale Aspekte unseres Wohnprojektes.
Gemeinsam wollen wir barrierefrei miteinander Denken und Leben! Perspektivisch ist es zudem unser Wunsch, Räume und Ressourcen für soziales, kulturelles und politisches Engagement im Stadtteil zu schaffen.
Wie soll das nun alles funktionieren? Aufgrund unserer Zielsetzungen haben wir uns entschieden, unser Wohnprojekt nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats zu verwirklichen. Hierbei ist der dauerhafte Erhalt von bezahlbaren Räumen und ein Zugriff auf das Immobilienvermögen (z.B. Verkauf, Privatisierung, Gewinnentnahmen) ausgeschlossen. Das Mietshäuser Syndikat selbst ist ein Zusammenschluss von Wohn- und Gewerbeprojekten mit selbstorganisiertem Gemeinschaftseigentum. Als solidarischer Verbund bietet das Mietshäuser Syndikat bereits seit über 20 Jahren Beratung und Unterstützung bei der Initiierung und Realisierung von Wohnprojekten. Durch die Vernetzung der einzelnen Projekte untereinander gibt es zudem einen ständigen gegenseitigen Erfahrungsaustausch.
Vor diesem Hintergrund und als Mitglied des Mietshäuser Syndikats verstehen wir uns und unser Wohnprojekt als ein Pilotprojekt in Braunschweig.
Ein Grundstück dafür haben wir auch schon im Auge und zwar im Herzen des westlichen Ringgebietes.
So wurde u.a. aufgrund des Engagements des Netzwerk Gemeinsam Wohnen im Neubaugebiet Blumenstraße-Süd ein Grundstück in Braunschweig erstmals für gemeinschaftliches Wohnen ausgewiesen. Dies begrüßen wir sehr, zumal andere Städte bundesweit seit Jahren regelmäßig Grundstücke und Objekte für gemeinschaftliches Wohnen zur Verfügung stellen und reservieren, um diese Wohnform aktiv zu fördern.
Trotz der festgeschriebenen Nutzungsbestimmung des Grundstücks für gemeinschaftliches Wohnen wurde dieses dann von der Stadt Braunschweig an eine Baugesellschaft verkauft. Mit diesem Schritt wurden die Weichen leider nicht zugunsten unserer Initiative für ein Wohnprojekt gestellt. Denn gemeinschaftliches Wohnen und selbstorganisierte Wohnprojekte bringen spezifische Herausforderungen, Bedürfnisse und Gruppenprozesse mit, die ausreichend Spielraum und Zeit bei der Planung, Entwicklung und Verwirklichung bedürfen. Dies lässt sich nicht oder nur sehr schwer mit den Interessen und dem Gewinnstreben von Baufirmen und Investoren in Einklang bringen. So wurden mit dem Verkauf des Grundstücks ungeeignete und unbefriedigende Ausgangsvoraussetzungen für die Entwicklung von gemeinschaftlichem Wohnen auf dem Grundstück geschaffen.
Um das Grundstück in der Blumenstraße dennoch erwerben und bebauen zu können, führen wir seit Ende letzten Jahres mit der Stadt Braunschweig und der dortigen Investorin als Grundstückseigentümerin Gespräche. In den Gesprächen wurde uns zunächst der Kauf in Aussicht gestellt und so haben wir mit unserem Architekten erste Entwürfe entwickelt. Wie von der Stadt Braunschweig und der investierenden Baugesellschaft gewünscht, würden wir die bereits erstellten Entwürfe für die Blumenstraße gerne weiter voranbringen und konkretisieren. Die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen können wir als Projektinitiative und Verein jedoch ohne jegliche Sicherheiten wie einem verbindlichen Vorkaufsrecht nicht leisten. Daher haben wir, wie in anderen Städten in Deutschland üblich, von der Stadt und der Baugesellschaft eine vertraglich zugesicherte Kaufoption über ca. eineinhalb Jahren gefordert, um die Bauplanung und Finanzierung unseres Wohnprojektes fortzusetzen und „in trockene Tücher“ zu bringen. Leider wurde uns ein dementsprechendes Vorkaufsrecht bisher unter anderem mit der Begründung, dass unsere Planungen zu unkonkret seien, verwehrt.
Darüber hinaus wurden wir vor einigen Wochen davon in Kenntnis gesetzt, dass sich eine weitere Gruppe für das Grundstück interessiert. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Gruppe von Menschen, die gerne gemeinsam ein Wohnprojekt entwickeln möchten, sondern um einen von der Baugesellschaft angesprochenen, wiederum privaten Investor.
Doch wir haben einen langen Atem und sind fest entschlossen mit unserem kollektiven Wohnprojekt ein Teil des westlichen Ringgebiets zu werden und dort zu wirken und zu leben! Falls Sie mehr über uns wissen möchten oder Fragen haben, erzählen und erklären wir auch gerne mehr. Nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf – persönlich, telefonisch oder schriftlich: Wohnprojekt infrarot e.V.
Helenenstr. 28, 38118 Braunschweig Tel.: 0531 / 29 57 30 39 (Anrufbeantworter) E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! .
[ Janine Lendrat ]